Rückblick 1. Projekt-Workshop Math4VIP

„Mathematik barrierefrei gestalten"

24. bis 26. November 2025, Schloss Rauischholzhausen


Der erste Projekt-Workshop von Math4VIP brachte vom 24. bis 26. November 2025 über 30 Teilnehmende aus dem deutschsprachigen Raum und international auf SchlossRauischholzhausen zusammen. In einem intensiven dreitägigen Programm tauschten sich Betroffene, Lehrende, Forschende und Unterstützende über unterschiedliche Zugänge zu Mathematik für Menschen mit Sehbeeinträchtigung aus – von der Schule über die Hochschule bis in die berufliche Praxis.

Erfahrungen von Betroffenen im Mittelpunkt


Besonders eindrucksvoll waren die persönlichen Berichte aktuell und ehemals Studierender: In zwei Panels schilderten vier aktuell Studierende und drei Alumni über ihre Erfahrungen im Studium. Aus Neuseeland zugeschaltet berichtete Jonathan Godfrey (Massey University) über seinen Weg, mit Blindheit Mathematikprofessor zu werden und wie er sehende Studierende unterrichtet. Auch Ulrich Krähmer (TU Dresden) gab Einblicke, wie er als Hochschullehrer mit Sehbeeinträchtigung Mathematik betreibt und lehrt.

Von der Schule bis zur Hochschule: Standards und Arbeitstechniken


Der Workshop deckte die gesamte Bildungskette ab: Maike Castorph und Debora Debes (blista) stellten Mathematik in der Schule mit Beispielen zum arithmico-System vor. Barbara Henn und Michael Schäffler (Schloss-Schule Ilvesheim) zeigten praktische Umsetzungen aus ihrer Arbeit im Medienberatungszentrum sowie erprobte Arbeitstechniken. Aus fachdidaktischer Perspektive berichteten Evita Lerchenberger und Jonas Lazarus (Universität Graz / TU Graz) über die barrierefreie Aufbereitung von Aufgaben des Känguru-Wettbewerbs. Ein zentraler Programmpunkt war die Standardisierung mathematischer Inhalte: Thomas Kahlisch (dzb lesen / Universität Leipzig) beleuchtete Standards im Bereich Buch bzw. im Alltag der DZB lesen, während Barbara Henn (Schloss-Schule Ilvesheim) und Volker Sorge (Universität Birmingham) Standardisierungen in der Schule und den Einsatz von MathJax vorstellten. Für die Hochschule präsentierten Thorsten Schwarz, Jasmin Vestner (KIT), Johannes Grell und Sofia Raible (Philipps-Universität Marburg) die im Rahmen der Service- Alltags und des Projektes Math4VIP entstandenen Umsetzungsstandards, als auch einen Ausblick des EPUB-Formats als zukunftsweisenden Standard für Fachliteratur im MINT-Kontext.

Werkzeuge und neue Ansätze


Neil Soiffer (Talking Cat Software, Portland) berichtete online über die von ihm entwickelten Mathematik-Tools und deren Motivation. In der „Kreativrunde" am zweiten Abend gab Gerhard Jaworek einen historischen Abriss verschiedener Ansätze von Mathematik-Schriften für blinde Menschen, Volker Sorge stellte seine Arbeit im Bereich „barrierefreie Diagramme“ vor, und Kyle Keane (University of Bristol) berichtete online von seinen Erfahrungen im „kreativen Arbeiten mit Mathematik“ aus Bristol. Am Abend folgte ein praktischer Teil, bei dem aktuelle Ansätze für den Zugang zu mathematischen Inhalten präsentiert wurden: taktile 3D-Objekte, der Tactonom Reader, Audiofunctions des Sonairgraph Projektes, sowie das Erzeugen und Drucken von taktilen Grafiken mit GnuPlot durch blinde Personen.

Rechtliche Rahmenbedingungen


Am letzten Tag widmeten sich Felix Welti (Universität Kassel) und Michael Richter (rbm) den rechtlichen Aspekten mit Behinderung zu studieren, mit einem Schwerpunkt auf die
Besonderheiten im naturwissenschaftlichen Studium – besonders relevant mit Blick auf das Ende Juni 2025 in Kraft getretene Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG).

Fazit und Ausblick


In der Abschlussdiskussion wurde deutlich: Der Austausch zwischen allen Beteiligten
(Personen mit Sehbeeinträchtigung, Lehrende, Entwickelnde) ist der Schlüssel zu
barrierefreier Mathematik. Die Veranstaltung bot nicht nur wertvolle Einblicke in
bestehende Lösungen, sondern zeigte auch auf, wo noch Handlungsbedarf besteht. Die Teilnehmenden nahmen viele praktische Anregungen und neue Kontakte mit – eine wichtige Grundlage für die weitere Arbeit im Projekt Math4VIP. Der Workshop wurde in Kooperation der Philipps-Universität Marburg und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) durchgeführt und wird von der Volkswagen-Stiftung gefördert.